Kündigung wegen Social Media Post – Kollegen fühlen sich bedroht (Urteil)
Ein Social Media-Post kann im Extremfall den Arbeitsplatz kosten – das zeigt ein aktuelles Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Februar 2025. Ein Straßenbahnfahrer hatte in einer Facebook-Gruppe ein bearbeitetes Bild gepostet, das von mehreren Kollegen als gewerkschaftsfeindlich und bedrohlich empfunden wurde. Die Folge: Eine wirksame ordentliche Kündigung.
Der Sachverhalt: Gewaltbild mit Bezug zu Verdi
Der Arbeitnehmer war über 15 Jahre bei einem Berliner Verkehrsunternehmen beschäftigt – zuletzt als Fahrer im Schichtdienst. Im Mai 2024 postete er in einer Facebook-Gruppe mit rund 1.000 Mitgliedern eine Fotomontage, die einen knienden Mann mit an den Kopf gehaltener Pistole zeigt. Daneben: Das Verdi-Logo und der Text „Verdi hört den Warnschuss nicht“. Auch das Logo des Arbeitgebers war in der Montage integriert.
Die Gruppe, in der das Bild gepostet wurde, wurde maßgeblich vom Arbeitnehmer moderiert und richtete sich vorrangig an Fahrpersonal. Mehrere Gewerkschaftsmitglieder, die den Beitrag sahen, fühlten sich persönlich bedroht und wandten sich an den Arbeitgeber.
Die rechtliche Einordnung: Meinungsfreiheit und betrieblicher Frieden
In der anschließenden arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung – der Fahrer klagte gegen seine fristlose hilfsweise ordentliche Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht – berief sich der Kläger auf seine Meinungsfreiheit. Diese finde, so das Arbeitsgericht, ihre Grenze dort, wo sie in die Rechte anderer eingreife oder den Betriebsfrieden gefährde. Nach Ansicht des Gerichts war Letzteres gegeben: Die Bildsprache der Montage – insbesondere die Pistole am Kopf – habe eine bedrohliche Wirkung entfaltet, vor allem gegenüber gewerkschaftlich aktiven Beschäftigten, und damit den Betriebsfrieden gefährdet.
Zwar fehle es an einer konkreten Drohung im strafrechtlichen Sinn. Gleichwohl verletze die Veröffentlichung des Bildes in einer großen, arbeitnehmerbezogenen Gruppe die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht. Der Kläger habe in Kauf genommen, dass sich Kollegen – verständlicherweise – eingeschüchtert fühlen könnten.
Verdachtskündigung rechtlich zulässig
Da dem Kläger selbst keine strafbare Handlung nachgewiesen werden konnte, sprach der Arbeitgeber eine sogenannte Verdachtskündigung aus. Diese setzt keinen endgültigen Beweis voraus, sondern lediglich einen „dringenden Tatverdacht“, der das Vertrauensverhältnis nachhaltig erschüttert.
Das Arbeitsgericht bejahte dies. Der Kläger wurde zudem, so das Gericht weiter, ordnungsgemäß angehört, der Personalrat ordnungsgemäß beteiligt; das gepostete Bild war nach Überzeugung des Gerichts geeignet, eine erhebliche Störung des Arbeitsverhältnisses zu begründen.
Öffentlichkeitsgrad der Facebook-Gruppe entscheidend
Ein zentraler Punkt des Urteils betrifft die Frage, ob der Post öffentlich war. Zwar handelte es sich um eine „geschlossene“ Facebook-Gruppe. Doch das Gericht stellte klar: Bei rund 1.000 Mitgliedern könne von einem privaten Kommunikationsrahmen keine Rede mehr sein. Äußerungen in sozialen Netzwerken unterliegen – gerade bei großer Reichweite – vergleichbaren arbeitsrechtlichen Maßstäben, wie öffentliche Aussagen.
Selbst bei deutlich kleineren Gruppen (beispielsweise 60–70 Mitgliedern) könne, je nach Konstellation, bereits eine Außenwirkung gegeben sein. Entscheidend sei, ob der Beitrag potenziell den Weg zum Arbeitgeber finden könne – was hier unstrittig der Fall war.
Abwägung: Keine fristlose, aber ordentliche Kündigung wirksam
Eine fristlose Kündigung hielt das Gericht für unverhältnismäßig. Der Kläger war langjährig beschäftigt, bislang arbeitsrechtlich nicht negativ aufgefallen und ist alleinerziehender Vater von drei Kindern. Dies sprach gegen eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Anders sah es bei der ordentlichen Kündigung aus: Diese sei verhältnismäßig, da dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung unter den genannten Umständen nicht mehr zuzumuten sei.
Meinungsäußerung mit arbeitsrechtlichem Risiko
Der Fall macht deutlich: Politische oder gewerkschaftskritische Meinungsäußerungen können arbeitsrechtlich sanktioniert werden, wenn sie über die Grenzen des Zumutbaren hinausgehen. Besonders in sozialen Netzwerken gilt: Die vermeintliche „Privatsphäre“ endet dort, wo Reichweite und Wirkung beginnen.
Die Entscheidung unterstreicht, dass das Vertrauen des Arbeitgebers in die Rücksichtnahme unter Kolleginnen und Kollegen ein zentrales Element jedes Arbeitsverhältnisses ist – und Provokationen in den Sozialen Medien, wie hier mit gewaltvollen Bildern, dieses Vertrauen nachhaltig zerstören können.