Rente erhalten – Ist das ein Kündigungsgrund?
Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen davon aus, dass mit dem Erreichen des Rentenalters das Arbeitsverhältnis automatisch endet. Ebenso verbreitet ist die Vorstellung, dass der Arbeitgeber kündigen darf, sobald ein Anspruch auf Altersrente besteht – schließlich habe der Beschäftigte nun ein anderweitiges Einkommen. Doch so einfach ist es nicht: Weder endet das Arbeitsverhältnis automatisch mit Rentenbeginn, noch ist der Rentenbezug ein zulässiger Kündigungsgrund im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes.
Was gilt also beim Thema Kündigung wegen Altersrente und worauf sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber achten?
Rentenbezug ist kein Kündigungsgrund
Im Gesetz findet sich in § 41 Satz 1 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) dazu folgendes:
„Der Anspruch auf eine Rente wegen Alters ist nicht als Grund anzusehen, der die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz bedingen kann.“
Das bedeutet: Ein Arbeitgeber darf das Arbeitsverhältnis nicht kündigen, nur weil der Arbeitnehmer Altersrente bezieht oder beziehen könnte. Der bloße Rentenanspruch ist kein (personenbedingter) Kündigungsgrund.
Arbeitsverhältnis endet nicht automatisch bei Renteneintritt
Ein weiteres weit verbreitetes Missverständnis: Der Rentenbeginn bewirkt nicht automatisch das Ende des Arbeitsverhältnisses. Ohne ausdrückliche Vereinbarung im Arbeitsvertrag – etwa in Form einer Altersgrenzenklausel – bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen. Der Arbeitnehmer hat das arbeitsvertragliche Recht, weiterzuarbeiten, sofern er das möchte. Für Arbeitgeber kann dies überraschend sein, vor allem wenn sie davon ausgehen, dass die Altersrente eine „natürliche Grenze“ für das Arbeiten markiert.
Kündigungsschutz gilt auch für ältere Beschäftigte
Arbeitnehmer, die länger als sechs Monate im Unternehmen tätig sind und deren Arbeitgeber regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, genießen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz. Damit kann eine Kündigung nur aus verhaltens-, personen- oder betriebsbedingten Gründen erfolgen – der Rentenbezug fällt unter keine dieser Kategorien. Eine Kündigung allein aufgrund des Alters oder des Renteneintritts wäre zudem altersdiskriminierend und somit unzulässig.
Altersgrenzenklauseln: Automatisches Ende bei Erreichen der Regelaltersgrenze
Allerdings können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertraglich regeln, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze endet. Solche Klauseln sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich zulässig. Wichtig ist, dass sie sich nicht auf den faktischen Rentenbezug, sondern auf das Erreichen der Regelaltersgrenze stützen.
Dies ergibt sich ebenfalls aus dem Gesetz: § 41 Absatz 1 Satz 2 SGB VI erlaubt es, entsprechende Vereinbarungen zu treffen – etwa im Arbeitsvertrag –, die das Arbeitsverhältnis ohne Kündigung bei Erreichen der Altersgrenze enden lassen. Selbst wenn das ursprünglich vereinbarte Alter, beispielsweise 65 Jahre, durch Gesetzesänderungen nach hinten verschoben wurde, ist diese Norm so auszulegen, dass das Ende bei Erreichen der jeweils aktuellen Regelaltersgrenze gemeint ist.
Altersdiskriminierung durch Vertragsklauseln?
Auf den ersten Blick erscheint es widersprüchlich: Kündigungen wegen des Alters sind unzulässig – aber Vertragsklauseln, die eine automatische Beendigung bei Erreichen des Rentenalters vorsehen, gelten als rechtmäßig. Das Bundesarbeitsgericht argumentiert hier mit einem sachlichen Grund: Der Arbeitnehmer sei durch die Altersrente wirtschaftlich abgesichert, weshalb eine solche Regelung legitim sei.
Diese Argumentation ist nicht unumstritten. Viele Rentner werden trotz jahrzehntelanger Erwerbstätigkeit in die Altersarmut abrutschen, besonders wenn sie in gering entlohnten Beschäftigungsverhältnissen tätig waren. Zudem sind viele Menschen im Rentenalter heute gesundheitlich und geistig fit genug, um weiterzuarbeiten. Die pauschale Annahme, dass mit Rentenbeginn kein Interesse mehr an Erwerbstätigkeit besteht, ist dann auch nicht mehr zeitgemäß.
Was gilt, wenn es keine Altersgrenzenregelung gibt?
Gibt es keine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung, bleibt das Arbeitsverhältnis auch über den Rentenbeginn hinaus grundsätzlich bestehen – und der Arbeitgeber muss einen Kündigungsgrund vorweisen, wenn er wirksam kündigen möchte. Das verschafft Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine starke Rechtsposition, gerade wenn sie bewusst weiterarbeiten wollen.
Auch bei Neueinstellungen nach Erreichen des Rentenalters gilt: Ein befristeter Arbeitsvertrag ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Die reine Möglichkeit des Rentenbezugs kann grundsätzlich keine Befristung rechtfertigen. Hat man das Arbeitsverhältnis begonnen, ohne dass klar geregelt ist, für wie lange, entsteht unter Umständen ein unbefristetes Arbeitsverhältnis – mit vollem Kündigungsschutz.
Zusammengefasst gilt grundsätzlich:
- Der Rentenbezug ist kein Kündigungsgrund.
- Das Arbeitsverhältnis endet nicht automatisch bei Renteneintritt.
- Kündigungen aus Altersgründen sind diskriminierend und unzulässig.
- Eine wirksame Altersgrenzenklausel im Arbeitsvertrag führt regelmäßig zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Praxistipps für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber sollten ihre Arbeitsverträge in Hinblick auf entsprechende Klauseln sorgfältig prüfen. Arbeitnehmer, die über das Rentenalter hinaus arbeiten wollen, können sich unter Umständen erfolgreich gegen eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Wehr setzen – besonders, wenn keine klare arbeitsvertragliche Regelung vorliegt. Falls das Arbeitsverhältnis nicht wirksam beendet werden kann, ist dies eine für Arbeitnehmer günstige Ausgangslage für Abfindungsverhandlungen. Hier lohnt es sich für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, frühzeitig eine arbeitsrechtliche Beratung bei einem im Thema spezialisierten Anwalt oder Fachanwalt für Arbeitsrecht einzuholen.