Zeiterfassung: Pflichten von Arbeitnehmern & Arbeitgebern
Zeiterfassung im Betrieb: Welche Pflichten gelten? Was droht bei Fehlern?
Die korrekte Erfassung der Arbeitszeit ist nicht nur ein organisatorisches Thema – sie hat arbeitsrechtliche Relevanz. Immer wieder kommt es bei Arbeitgebern zu Problemen mit der Zeiterfassung: Mitarbeitende vergessen das Ein- oder Ausstempeln, die Systeme funktionieren nicht richtig oder es wird über Abweichungen diskutiert. Doch wer trägt die Verantwortung, und welche rechtlichen Konsequenzen drohen?
Wer ist für die Zeiterfassung verantwortlich?
Zunächst ist es die Pflicht des Arbeitgebers, ein funktionierendes Zeiterfassungssystem bereitzustellen. Das bedeutet: Die eingesetzte Technik muss praxistauglich, bedienbar und zuverlässig sein. Wenn das System beispielsweise fehleranfällig, schwer zugänglich oder unübersichtlich ist, kann dem Arbeitnehmer kein Vorwurf gemacht werden, wenn er die Arbeitszeiterfassung nicht oder nur lückenhaft betätigt – der Arbeitgeber muss dann nachbessern.
Gleiches gilt, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht ausreichend geschult wurden oder der Zugang zur Zeiterfassung nur mit erheblichem Aufwand möglich ist.
Wann ist der Arbeitnehmer in der Pflicht?
Gibt es beim Arbeitgeber ein funktionsfähiges System und wurde die Belegschaft damit hinreichend vertraut gemacht, wechselt die Verantwortung: Nun ist die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer verpflichtet, ihre oder seine Arbeitszeiten korrekt zu erfassen.
Wer dies allerdings fortlaufend oder beharrlich unterlässt, begeht regelmäßig einen arbeitsvertraglichen Pflichtverstoß. Zwar sind gelegentliche oder unabsichtliche Fehler eher als geringfügige Verstöße zu werten – diese können aber bei Wiederholung eine Abmahnungen rechtfertigen.
Schwerer wiegt es, wenn Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer wissentlich falsche Angaben machen oder Kollegen bitten, für sie ein- oder auszustempeln. In solchen Fällen liegt regelmäßig ein Arbeitszeitbetrug vor – mithin eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die unter Umständen sogar eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, selbst ohne vorherige Abmahnung.
Abgrenzung zwischen Fehler und Betrug
Wichtig ist die Unterscheidung zwischen versehentlichen und vorsätzlichen Verstößen. Wenn zum Beispiel ein Kollege für den anderen „mitstempelt“, beide aber anwesend sind und arbeiten, liegt zwar ein formaler Verstoß vor, jedoch kein Arbeitszeitbetrug. Anders sieht es aus, wenn gestempelt wurde, ohne dass tatsächlich gearbeitet wird – etwa bei verspäteter Rückkehr aus der Pause oder wenn der Arbeitsplatz nach dem Einloggen wieder verlassen wird.
In solchen Fällen gehen Gerichte zunehmend von einem Betrugsversuch aus, besonders wenn sich ein dahingehendes Verhaltensmuster erkennen lässt. Dann droht nicht nur eine Abmahnung, sondern auch die fristlose Kündigung.
Zum Beispiel: Zwei Mitarbeiter betreten gemeinsam den Betrieb. Einer stempelt für beide – der andere hat ihm seine Karte mitgegeben. Beide nehmen sofort die Arbeit auf. Zwar handelt es sich um einen arbeitsvertraglichen Pflichtverstoß, da jeder von ihnen verpflichtet ist, seine Zeiten selbst zu erfassen. Ein tatsächlicher Schaden entsteht dem Arbeitgeber aber nicht, da beide umgehend nach dem Einstempeln die Arbeit aufgenommen haben. Solche Fälle bewegen sich im Grenzbereich: es liegt ein formaler Verstoß vor, jedoch einer ohne Täuschungsabsicht.
Anders sieht es aus, wenn der eingestempelte Kollege nicht zur Arbeit erscheint oder sich längere Zeit vom Arbeitsplatz entfernt, obwohl er als anwesend gilt. In solchen Fällen droht die Einordnung als Arbeitszeitbetrug – mit gravierenden Folgen. Je nach Schwere des Verstoßes kann eine fristlose Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtens sein.
Warum wird Zeiterfassung immer wichtiger?
Hintergrund für die zunehmende Bedeutung der Zeiterfassung ist auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs. Diese verpflichten Arbeitgeber dazu, die Arbeitszeit systematisch zu erfassen – nicht nur zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes, sondern auch zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer das Zeiterfassungssystem manipuliert oder nicht nutzt, verhindert dies, dass der Arbeitgeber seinen gesetzlichen Pflichten nachkommt. Verstöße gegen die Dokumentationspflichten können für den Arbeitgeber Bußgelder nach sich ziehen. Daher werden selbst formale Pflichtverletzungen in Zukunft wohl strenger gewertet als bisher.
Die Zeiterfassung ist Teil des Arbeitsverhältnisses mit beidseitigen Pflichten. Arbeitgeber müssen für geeignete Systeme sorgen – Arbeitnehmer wiederum müssen diese korrekt nutzen. Wer die Zeiterfassung absichtlich unterläuft, riskiert seinen Arbeitsplatz. Wer versehentlich Fehler macht, sollte mit der nötigen Sorgfalt und gegebenenfalls Rücksprache mit dem Arbeitgeber, dem Betriebsrat oder einem Anwalt reagieren.
Bei einer Abmahnung oder dem Vorwurf eines Arbeitszeitbetrugs lohnt sich eine frühzeitige juristische Beratung immer. So lässt sich klären, welches sinnvollerweise die nächsten Schritte sind und wie sich der Arbeitsplatz retten oder die Kündigung vermeiden lässt. Bei einer Kündigung sollte man einen spezialisierten Anwalt/Fachanwalt sofort anrufen.