Abfindung trotz langer Krankheit – So geht’s!
Lange Krank? So holen Sie trotzdem eine Top-Abfindung raus!
Sie sind seit längerer Zeit krankgeschrieben, machen sich Sorgen um Ihre berufliche Zukunft und fragen sich, ob Sie unter diesen Umständen eine Abfindung erzielen können? Längere Krankheit und die Aussicht auf eine Abfindung sind ein komplexes Thema. In diesem Beitrag erfahren Sie, worauf Sie achten müssen, welche Faktoren Ihre Chancen auf eine hohe Abfindung schmälern (die sogenannten „Abfindungskiller“) und wann sich der Kampf trotzdem lohnt.
Viele Arbeitnehmer:innen, die lange krank sind – sei es, dass sie wieder gesund sind, aber nicht an den alten Arbeitsplatz zurückkönnen, oder sich noch in einer andauernden Erkrankung befinden – fragen sich: Was ist jetzt noch für mich drin? Kann ich mit einer Abfindung rechnen, auch wenn ich schon lange nicht mehr gearbeitet habe?
Erste Orientierung: Der Abfindungsrechner
Eine erste, grobe Einschätzung einer möglichen Abfindungshöhe kann ein Online-Abfindungsrechner geben. Sie finden solche Rechner oft auf spezialisierten Anwaltsseiten. Dort können Sie verschiedene Szenarien durchspielen. Für die Situation „Ich will weg und möglichst eine Abfindung, habe aber weder Kündigung noch Aufhebungsvertrag“ ist dieser Beitrag besonders relevant.
Die große Hürde bei langer Krankheit: Warum Arbeitgeber oft nicht zahlen wollen
Der Knackpunkt bei langandauernden Erkrankungen ist häufig die Motivation des Arbeitgebers. Viele denken:
- „Der Mitarbeiter kostet mich doch aktuell nichts mehr (ist aus der Lohnfortzahlung raus).“
- „Der kommt doch sowieso nicht wieder.“
- „Warum sollte ich auch nur einen Cent zahlen, wenn er eh nicht mehr arbeitsfähig ist oder bald eine Rente wegen Erwerbsminderung bekommt?“
Wenn der Arbeitgeber kein Interesse daran hat, Ihren (noch bestehenden) Kündigungsschutz „abzukaufen“, weil er sich ohnehin keine Sorgen um Ihre Rückkehr macht oder keine Kosten mehr durch Sie hat, fehlt oft der entscheidende Hebel für eine Abfindungsverhandlung. Ein Anwalt kann auch nicht zaubern, wenn die Gegenseite keinen Anreiz sieht, Geld zu zahlen.
Achtung: Die „Abfindungskiller“ bei langer Krankheit
Es gibt bestimmte Faktoren, die Ihre Chancen auf eine Abfindung bei langer Krankheit deutlich reduzieren können:
- Lange Ausfallzeit ohne Kosten für den Arbeitgeber: Sind Sie bereits lange krank und verursachen dem Arbeitgeber keine direkten Kosten mehr (z.B. durch Lohnfortzahlung), sinkt sein Interesse, für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen.
- Geringes Einkommen: Bei niedrigeren Gehältern (z.B. 3.000 €) und langer Krankheit ist dem Arbeitgeber das Risiko einer Rückkehr oft weniger wert als bei Top-Verdienern. Er spekuliert vielleicht darauf, dass Sie ohnehin nicht mehr leistungsfähig sind, falls Sie zurückkehren.
- Fehlende Druckmittel: Wenn es keine anderen Pflichtverstöße des Arbeitgebers gibt (z.B. ausstehende Prämien, was bei langer Abwesenheit selten der Fall ist, da keine Überstunden etc. anfallen), fehlt ein zusätzlicher Ansatzpunkt für Verhandlungen.
- Kein erkennbarer Wille des Arbeitgebers, Sie loszuwerden: Wenn der Arbeitgeber Sie einfach „am ausgestreckten Arm verhungern lässt“ und keine Anstalten macht, das Arbeitsverhältnis aktiv zu beenden.
Wann bestehen trotz langer Krankheit gute Chancen auf eine Abfindung?
Auch wenn die Situation schwierig erscheint, gibt es Konstellationen, in denen eine Abfindung realistisch ist:
- Hohes Einkommen: Bei Führungskräften oder Gutverdienern (z.B. ab 5.000 – 6.000 € aufwärts) kann der Arbeitgeber ein Interesse haben, das Arbeitsverhältnis sauber zu beenden, um die Position neu zu besetzen und mögliche (wenn auch geringe) Restrisiken einer Rückkehr auszuschließen.
- Laufende Zahlungen: Wenn der Arbeitgeber Ihnen trotz Krankheit weiterhin bestimmte Zahlungen leistet (z.B. vertraglich zugesichertes Weihnachts- oder Urlaubsgeld), hat er weiterhin ein finanzielles Interesse an einer Lösung.
- Einleitung eines BEM (Betriebliches Eingliederungsmanagement): Wenn der Arbeitgeber ein BEM-Verfahren einleiten will, kann dies ein exzellenter Anknüpfungspunkt für Abfindungsverhandlungen sein. (Suchen Sie hierzu auch nach Videos zum Thema „Abfindung aus BEM rausholen“).
- Vorbereitung einer krankheitsbedingten Kündigung: Wenn der Arbeitgeber signalisiert, dass er eine krankheitsbedingte Kündigung in Erwägung zieht, können Sie Ihren Kündigungsschutz „verkaufen“.
- Forderung nach einem leidensgerechten Arbeitsplatz: Manchmal kann die (berechtigte) Forderung nach einem leidensgerechten Arbeitsplatz den Arbeitgeber dazu bewegen, stattdessen eine Abfindung anzubieten.
- „Unkluge“ Arbeitgeber oder Anwälte: Nicht jeder Arbeitgeber handelt rein rational. Manchmal wollen sie einen Mitarbeiter einfach „aus den Büchern haben“, unabhängig von der reinen Kosten-Nutzen-Rechnung.
Die ehrliche Einschätzung des Anwalts
Seriöse Anwälte werden Ihnen ehrlich sagen, wie Ihre Chancen stehen. Wenn ein Anwalt einen Fall ablehnt, obwohl er auf Abfindungen spezialisiert ist, dann oft aus gutem Grund:
- Keine realistischen Erfolgsaussichten: Es macht keinen Sinn, Geld (Ihr eigenes oder das der Rechtsschutzversicherung) für ein aussichtsloses Unterfangen zu verbrennen.
- Vermeidung von Enttäuschungen: Falsche Hoffnungen zu wecken und dann keine Ergebnisse zu liefern, führt zu Frustration und schadet dem Ruf.
Es geht nicht darum, Mandanten abzuwimmeln, sondern verantwortungsvoll zu beraten.
Was können Sie tun?
- Selbstanalyse: Fragen Sie sich kritisch: Warum sollte mein Arbeitgeber mir eine Abfindung zahlen, wenn er mich (aus seiner Sicht) ohnehin „los“ ist oder ich ihm keine Kosten verursache?
- Suchen Sie Anknüpfungspunkte: Gibt es Signale für ein BEM? Plant der Arbeitgeber eine Kündigung? Gibt es andere Druckmittel?
Holen Sie eine ehrliche Einschätzung ein: Sprechen Sie mit einem spezialisierten Anwalt für Arbeitsrecht. Schildern Sie Ihre Situation (anonymisiert, falls Sie Kommentare in öffentlichen Foren nutzen) und lassen Sie prüfen, ob es realistische Ansatzpunkte gibt. Auch wenn 50 Anwälte vorher abgewunken haben – eine erneute, spezialisierte Prüfung kann manchmal neue Aspekte aufzeigen, aber erwarten Sie keine Wunder, wo keine Grundlage ist.
Handeln Sie bei konkreten Schritten des Arbeitgebers: Wenn eine Kündigung oder ein Aufhebungsvertrag auf dem Tisch liegt, ist die Situation anders, und professionelle Hilfe ist fast immer ratsam.
Fazit: Realismus ist entscheidend
Eine Abfindung bei langer Krankheit ist kein Selbstläufer. Die Chancen hängen stark von den individuellen Umständen, dem Verhalten des Arbeitgebers und Ihrer Verhandlungsposition ab. Eine ehrliche Analyse der Situation und professionelle Beratung sind entscheidend, um zu einer realistischen Einschätzung und möglicherweise zu einer zufriedenstellenden Lösung zu gelangen.