Youtube

Zielvorgabe zu spät vereinbart = Schadensersatz?

31.03.2025
4min

Schadensersatz bei verspäteter Zielvorgabe – Was Arbeitnehmer wissen müssen

In einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wurde eine wichtige Änderung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Bereich der variablen Vergütung und Zielvereinbarungen bestimmt. In der Entscheidung geht es um das Problem, dass Arbeitgeber oft die Zielvorgaben für eine Prämie verspätet oder gar nicht festlegten. Dies führte dazu, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sofern sie die Ziele nicht rechtzeitig kannten, keine Chance hatten, die vereinbarte Prämie zu erreichen.

Früher war es notwendig, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeitgeber aktiv aufforderten, eine Zielvereinbarung abzuschließen. Viele Beschäftigte taten dies jedoch aus verschiedenen Gründen nicht. Das Ergebnis war häufig, dass die Zielvereinbarung entweder gar nicht oder im Kalenderjahr zu spät getroffen wurde, um die Ziele noch zu erreichen. Das Bundesarbeitsgericht hatte in solchen Fällen entschieden, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für den fehlenden Abschluss der Zielvereinbarung mitverantwortlich waren, was dazu führte, dass sie regelmäßig keine Schadensersatzansprüche geltend machen konnten.

Neueste Entscheidung des BAG: Schadensersatz bei verspäteter Zielvorgabe

Das BAG stellte in einer neuen Entscheidung vom 19. Februar 2025 jedoch klar, dass ein verspäteter Abschluss der Zielvereinbarung grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch auslöst, wenn die Ziele nicht rechtzeitig festgelegt werden und ihre Motivations- und Anreizfunktion dadurch verloren gehen. Arbeitgeber sind nun gesetzlich verpflichtet, die Zielvorgaben rechtzeitig festzulegen, da diese Voraussetzung für die variable Vergütung sind. Wird diese Pflicht verletzt – etwa durch verspätete oder gar keine Zielvorgabe – entsteht regelmäßig ein Schadensersatzanspruch.

Pflicht zur Zielvorgabe: Kein Mitverschulden des Arbeitnehmers

Das BAG hat außerdem klargestellt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht verpflichtet sind, ihre Arbeitgeber aktiv an die Zielvereinbarung zu erinnern. Die Zielvorgabe ist eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die dieser zu erfüllen hat. Wird diese Verpflichtung verletzt, kann der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin Schadensersatz verlangen, da er oder sie keine Möglichkeit mehr hat, die Ziele zu erreichen. Die Verantwortung liegt hier klar beim Arbeitgeber.

Unrealistische Ziele und Schadensersatz

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Entscheidung betrifft die Frage, was passiert, wenn die Zielvorgaben unrealistisch sind. Es reicht nicht aus, dass die Ziele rechtzeitig festgelegt werden – sie müssen auch erreichbar sein. Sollten Arbeitgeber unerreichbare Ziele festlegen, verstoßen sie damit regelmäßig gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten. Dies kann ebenfalls eine Schadensersatzpflicht begründen.

Bemessung des Schadens: Schätzung durch das Gericht

In Fällen, in denen die Zielvereinbarung nicht rechtzeitig getroffen wurde, ist eine genaue Bezifferung des Schadens nicht immer möglich. Das Gericht nimmt in solchen Fällen eine Schätzung des Schadens vor, wobei der Durchschnitt der Zielerreichung der Kolleginnen und Kollegen als Grundlage dient. Wenn ein Arbeitgeber beispielsweise erst spät im Kalenderjahr die Zielerreichung mitteilt, wird grundsätzlich der Durchschnittswert der Ziele aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zugrunde gelegt, um den Schaden zu berechnen.

Auswirkungen für Arbeitgeber: Rechtzeitige und realistische Zielvorgaben

Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil, dass sie zukünftig die Zielvorgaben rechtzeitig und realistisch definieren müssen. Andernfalls riskieren sie Schadensersatzforderungen. Arbeitgeber, die weiterhin mit unrealistischen Zielen arbeiten, riskieren ebenfalls Schadensersatzforderungen, da sie in der Verantwortung stehen, Ziele festzulegen, die tatsächlich erreichbar sind.

Rechte der Arbeitnehmer bei variabler Vergütung und Zielvorgaben gestärkt

Die Entscheidung des BAG verbessert deutlich die Stellung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie können nun Schadensersatz verlangen, wenn die Zielvereinbarungen entweder nicht rechtzeitig getroffen wurden oder die Ziele unrealistisch sind. Die Verantwortung für eine rechtzeitige und realistische Zielvorgabe liegt klar bei den Arbeitgebern, die verpflichtet sind, ihre Ziele so festzulegen, dass sie auch erreichbar sind. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten ihre Rechte kennen und im Fall von Unklarheiten bei der Zielvereinbarung rechtzeitig rechtlichen Rat einholen.