Arbeitsrecht

Bewertungssysteme für Mitarbeiter – Arbeitsplatzrisiko für Low Performer / Minderleister?

14.11.2013
5min

Bewertungssystem für Mitarbeiter als Instrument zur Kündigung von Low Performern? – Meldung von Spiegel online (vom 12.11.2013) zufolge geht der Internet-Konzern Yahoo gegen so genannte Minderleister (Low Performer) mittels eines Bewertungssystems für Mitrarbeiter vor. Mithilfe der umstrittenen Bewertung sollen schon 600 Mitarbeiter entlassen worden sein. Andere Unternehmen schaffen solche Bewertungssysteme gerade wieder ab. So will zeitlichen Pressemeldungen zufolge Microsoft künftig auf sein erst 2006 eingeführtes Bewertungssystem wieder verzichten.

Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen

Ziel derartige Bewertungssysteme ist es regelmäßig, sich von Mitarbeitern zu trennen, die weniger leisten als die Kollegen. Es gibt Theorien, wonach es in Unternehmen, einen gewissen Prozentsatz an solchen so genannten Minderleistern gibt. Auf diese will ein Unternehmen natürlich gern verzichten.

Unter welchen Voraussetzungen kann sich ein Arbeitgeber von Arbeitnehmern, die Minderleistungen erbringen trennen? Was sagt das Bundesarbeitsgericht dazu?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer nach § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet (BAG, Urteil vom 17. Januar 2008 – 2 AZR 536/06 –, BAGE 125, 257-266).

Doch welche Leistung schuldet ein Arbeitnehmer eigentlich? Ist dies objektiv danach zu bestimmen, was ein durchschnittlicher Arbeitnehmer leisten könnte? Oder kommt es vielmehr darauf an, was der konkrete Arbeitnehmer persönlich leisten kann.

Die Wahrheit wird sicher zwischen den Extremen zu suchen sein. Schließlich hat es der Arbeitgeber ja zunächst selbst in der Hand, welche Arbeitnehmer er einstellt. Dabei ist die Tendenz zu beobachten, dass in Zeiten eines entspannten Arbeitsmarktes Arbeitnehmer eingestellt werden, auf die man in Krisenzeiten dann gern wieder verzichten würde.

Das Bundesarbeitsgericht wird dem in gewisser Weise entgegen. An die Qualität der Arbeitsleistung werden folgende Anforderungen gestellt:

„Ein Arbeitnehmer genügt – mangels anderer Vereinbarungen – seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet.

Wenn der Arbeitnehmer allerdings über längere Zeit die durchschnittlich im Unternehmen vor den Arbeitnehmern erbrachten Leistungen nicht erreicht, kann der Arbeitgeber kündigen. Wenn der Arbeitnehmer nun Kündigungsschutzklage erhebt gilt folgendes:

Der Arbeitgeber muss zunächst die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung darlegen. Diese kann ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt.

Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft (BAG, Urteil vom 17. Januar 2008 – 2 AZR 536/06 –, BAGE 125, 257-266).

Was bedeutet dies für die Arbeitnehmer?

Über ein dort, wo die Leistung quantitativ gemessen werden kann und wird, müssen Arbeitnehmer die unterdurchschnittliche Leistungen dauerhaft erbringen, mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. In einem Prozess müssen sie darlegen können, dass sie ihre Leistungsfähigkeit voll ausschöpfen und trotzdem nicht bessere Ergebnisse erreichen können.

Ein Arbeitnehmer, der am Fließband arbeitet, wird in der Regel leichter im Sinne dieser Rechtsprechung zu beurteilen sein, als ein Geistesarbeiter. Wie will man etwa die Arbeitsleistungen eines Verfassers juristischer Texte beurteilen? Ab wann wird man hier zum Minderleister?

Inwieweit spielen Bewertungssysteme hier eine Rolle?

Die Beurteilung in den Bewertungssystemen beruht häufig auf einer subjektiven Einschätzung des Vorgesetzten. Damit allein lässt sich in der Regel eine Minderleistung nicht darlegen. Das gilt umso mehr, in den Fällen, in denen der Arbeitgeber die Beurteilungskriterien nicht an quantitativ messbaren Größen festgemacht.

Kündigungen sind gut angreifbar, wenn die Dreiwochenfrist für die Kündigungsschutzklage beachtet wird!

Kündigungen wegen angeblicher Minderleistung sind jedenfalls gut angreifbar. Wichtig ist, dass innerhalb einer Dreiwochenfrist Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht wird.

Bereits bei der Darlegung des Kündigungsgrundes, aber auch bei Betriebsratsanhörung können viele Fehler unterlaufen.

Was ist, wenn der Arbeitgeber gar nicht gekündigt, sondern einen Aufhebungsvertrag anbietet?

Häufig greifen Arbeitgeber aus den bekannten Gründen in Fällen der Minderleistung nicht zum Instrument der Kündigung, sondern versuchen Arbeitnehmer mithilfe eines Aufhebungsvertrages gegen Zahlung einer Abfindung loszuwerden. Arbeitnehmer, die planen einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung zu schließen, sollten die möglicherweise mit der Aufhebungsvereinbarung einhergehende Nachteile (Sperrzeit, Steuer, Anrechnung auf das Arbeitslosengeld) einkalkulieren.

Anrechnung der Abfindung auf das Arbeitslosengeld vermeiden

Eine Anrechnung der Abfindungszahlung auf das Arbeitslosengeld wird vermieden, wenn im Aufhebungsvertrag die ordentliche Kündigungsfrist eingehalten wird.

Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld vermeiden

Eine Sperrzeit (bedeutet unter anderem drei Monate kein Arbeitslosengeld) lässt sich vermeiden, wenn der Aufhebungsvertrag nach einer betriebsbedingten Kündigung vor Gericht geschlossen wird. Steuerliche Nachteile können unter Umständen abgemildert werden, wenn die Abfindung in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen zufließt.

Fachanwaltstipp Arbeitnehmer:

Eine Kündigung wegen Minderleistung sollten Sie nicht hinnehmen. Hier ist eine Kündigungsschutzklage angezeigt. Der Arbeitsplatz kann meistens nicht gerettet werden. Eine Abfindung ist aber allemal drin.

15.11.2013