Mietrecht

Eigenbedarfskündigung: Anbietpflicht des Vermieters und ihre Reichweite (Serie – Teil 1)

01.02.2015
4min

Wenn der Vermieter wegen Eigenbedarf kündigen will, muss er dem Mieter freie Wohnungen aus seinem Bestand anbieten. Verletzt der Vermieter eine tatsächlich bestehende Anbietpflicht, führt dies regelmäßig dazu, dass das auf die Eigenbedarfskündigung gestützte Räumungsbegehren rechtsmissbräuchlich wird. Die Anbietpflicht des Vermieters (gelegentlich auch Anbietungspflicht genannt) resultiert aus seiner Treuepflicht gemäß §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB, die aus dem Verlust der Wohnung für den Mieter resultierenden negativen Folgen, soweit es ihm möglich ist, zu mildern.  Unter welchen Umständen konkret eine Anbietpflicht besteht und welche Wohnungen aus dem Bestand des Vermieters wie lange angeboten werden müssen, ist Gegenstand diverser Rechtstreitigkeiten gewesen.

Ich fasse den Stand nachfolgend zusammen. Bitte beachten Sie, dass es mir nicht um eine vollständige Darstellung sämtlicher möglicher Probleme geht, sondern um eine, speziell auf die Probleme die aus meiner Sicht in der Praxis immer wieder auftauchen, reduzierte Zusammenfassung. Meiner Erfahrung nach nehmen die Instanzgerichte zu Gunsten der Vermieter die Anbieterpflicht nicht ausreichend ernst. Trotzdem kann darüber ein Räumungsprozess jederzeit kippen. Für Mieter bietet eine Verletzung der Anbietplicht eine der wenigen durchgreifenden Möglichkeiten, sich gegen eine Kündigung wegen Eigenbedarfs erfolgreich zu wehren oder entsprechende Schadenersatzansprüche durchzusetzen.

Dabei sind im Wesentlichen folgende Themenkomplexe zu unterscheiden:

  1.  Gesetzliche Grundlagen der Anbietpflicht
    2.    Folgen einer Verletzung der Anbietpflicht
    3.    Reichweite der Anbietpflicht
    a.    Reichweite in räumlicher Hinsicht (Entfernung von der bisherigen Wohnung)
    b.    Reichweite mit Blick auf die Vergleichbarkeit der Wohnung mit der bisherigen Wohnung (Größe, Beschaffenheit, Mietzins)
    c.    Anbietpflicht auch für freiwerdende Wohnungen
    d.    Anbietpflicht auch für Wohnungen, die der Vermieter nicht mehr vermieten will?
    4.    Dauer der Anbietpflicht
    a.    Beginn der Anbietpflicht
    b.    Ende der Anbietpflicht
    5.    Ausnahmen von einer grundsätzlich bestehenden Anbietpflicht
    a.    Ausnahmen wegen Vertragsverstößen des Mieters die den Vermieter zur fristlosen oder ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen würden
    b.    Ausnahmen wegen Vertragsverstößen des Mieters die den Vermieter nicht zur fristlosen oder ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen würden
    6.    Wegfall der Anbietpflicht wegen Ablehnung eines Angebots durch den Mieter
    7.    Notwendige Konditionen der Anbietpflicht
    8.    Folgen einer Verletzung der Anbietpflicht nach dem Verfahrensstand dargestellt
    9.    Fazit für Vermieter
    10.    Fazit für Mieter

Nachfolgend dazu genauer unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung:

1. Gesetzliche Grundlagen der Anbietpflicht

Die Gerichte stützen die Anbietpflicht auf § 241 BGB.

  • 241 BGB
    (1) …
    (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

2. Folgen der Verletzung der Anbietpflicht

Kommt der Vermieter seiner Anbietpflicht nicht nach, so ist die Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam (BGH, Urteil vom 09. Juli 2003 – VIII ZR 276/02 –, juris, BGH, Urteil vom 13. Oktober 2010 – VIII ZR 78/10 –, juris). Je nachdem in welchem Verfahrensstadium die Anbietpflicht verletzt wird, können daraus unterschiedliche Folgen resultieren. Diese stelle ich unten unter 9. näher dar.

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