Arbeitsrecht

Burnout: Zunahme psychischer Belastungen am Arbeitsplatz – Gesetzgeber reagiert.

30.01.2014
5min

Moderne Kommunikationsmittel wie E-Mail, Handy und Internet haben auch das Arbeitsleben verändert. Während man früher gemütlich einen Brief versandte und dann wochenlang auf die Antwort wartete, erfolgt die Kommunikation nunmehr im Minutentakt. Die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz steigen. Psychische Erkrankungen bis hin zum Burnout sind die Folge. Nun hat der Gesetzgeber reagiert. Welche Folgen ergeben sich aus der Gesetzesänderung für die Arbeitnehmer? Wie geht man sinnvoll vor, wenn Verstöße gegen den Arbeitsschutz festgestellt werden?

Während sich bislang der Arbeitsschutz überwiegend auf die Abwehr körperlicher Gefahren für die Arbeitnehmer konzentrierte, hat der Gesetzgeber nun (endlich) auch den Schutz der Arbeitnehmer vor psychischen Belastungen in Angriff genommen. Bei der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht. Im nachfolgenden Beitrag werden die geänderten gesetzlichen Regelungen und die Möglichkeiten des Arbeitnehmers, diese auch durchzusetzen, dargestellt.

Die wesentlichen Gesetzesänderungen

Dazu wurde das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) an verschiedenen Punkten ergänzt. Geändert bzw. ergänzt wurden die §§ 4 und 5 des Arbeitsschutzgesetzes.

§ 4 ArbSchG
Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen:
1. Die Arbeit ist so zu gestalten, dass eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird;

§ 5 ArbSchG
(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.
(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.
(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

6. psychische Belastungen bei der Arbeit.

Ziel der Gesetzesänderung

Der Gesetzgeber will klarstellen, dass neben der körperlichen Gesundheit auch der Schutz der psychischen Gesundheit der Beschäftigten Aufgabe des Arbeitgebers ist.

Umsetzung der Regelungen

Nach § 5 Arbeitsschutzgesetz muss der Arbeitgeber zunächst die Gefährdung der Arbeitnehmer (nunmehr auch) unter dem Gesichtspunkt der psychischen Belastung bei der Arbeit ermitteln. Dies geschieht mit der so genannten Gefährdungsbeurteilung, mit der der Arbeitgeber auch externe Stellen beauftragen kann.
Zur Erstanalyse kann auf eine Toolbox der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin zurückgegriffen werden. Diese finden Sie hier.

Mitbestimmung des Betriebsrats

Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Hierzu gehört auch die durch § 12 ArbSchG dem Arbeitgeber auferlegte Verpflichtung, die Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu unterweisen (BAG, Beschluss vom 08. November 2011 – 1 ABR 42/10 –, juris).

Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber externe Personen oder Stellen mit der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen oder Unterweisungen beauftragt (BAG, Beschluss vom 18. August 2009 – 1 ABR 43/08 –, BAGE 131, 351-357).

Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Die Einigungsstelle muss zunächst eine Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) erstellen. Unter Berücksichtigung der hier gewonnenen Erkenntnisse sind die konkreten arbeitsplatz- oder aufgabenbezogenen Unterweisungen daran auszurichten. Nach der herrschenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts darf sich die Einigungsstelle nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen (BAG, Beschluss vom 08. November 2011 – 1 ABR 42/10 –, juris).

Vorgehen des einzelnen Arbeitnehmers bei Verstößen gegen die Umsetzung

Gemäß § 17 ArbSchG sind die einzelnen Arbeitnehmer berechtigt, dem Arbeitgeber Vorschläge zu allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit zu machen. Diejenigen, die der Auffassung sind, dass der Arbeitgeber trotz entsprechender Aufforderung keine ausreichenden Maßnahmen zur Gewährleistung des gesundheitlichen Arbeitsschutzes trifft, können sich beim Arbeitgeber beschweren.

Bleibt der Arbeitgeber hartnäckig untätig, darf sich der Arbeitnehmer an die zuständigen Behörden wenden, ohne dass ihm hieraus ein Nachteil entstehen darf. Der Gesetzgeber hat in diesem Bereich den „Whistleblower“ geschützt. Gleichwohl empfehle ich Arbeitnehmern nicht leichtfertig mit entsprechenden Beschwerden umzugehen. Zunächst sollte immer der Vorgesetzte informiert werden. Ist ein Betriebsrat im Unternehmen vorhanden, sollte auch dieser eingeschaltet werden. Eine Beschwerde kann hier nur letztes Mittel sein. Auch wenn der Arbeitgeber keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen einleiten darf, ist die Gefahr, dass er es dem Arbeitnehmer an anderer Stelle „heimzahlt“, nicht von der Hand zu weisen.

Einklagbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf Umsetzung

Häufig vergessen wird, dass der Arbeitnehmer nicht auf bloße Beschwerden oder die Einschaltung des Betriebsrates beschränkt ist, sondern auch einen vor dem Arbeitsgericht einklagbaren Anspruch auf eine Beurteilung der mit seiner Beschäftigung verbundenen Gefährdung hat. Diese ergibt sich nach der herrschenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus § 5 Abs. 1 ArbSchG iVm. § 618 Abs. 1 BGB. Keinen Einfluss hat der Arbeitnehmer allerdings auf die konkrete Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Der Arbeitnehmer kann nicht verlangen, dass die Gefährdungsbeurteilung nach von ihm selbst vorgegebenen Kriterien erfolgt (BAG, Urteil vom 12. August 2008 – 9 AZR 1117/06 –, BAGE 127, 205-214).

Fazit

In welchem Maße die nun vorgenommene Gesetzesänderung in der Praxis Erfolg zeitigen wird, hängt vermutlich in erster Linie von der aktiven Verfolgung der Rechte durch die Betriebsräte und im Zweifel auch der einzelnen Arbeitnehmer ab. Die Kontrollbehörden haben in der Vergangenheit nach meiner Erfahrung in erster Linie durch Personalabbau auf sich aufmerksam gemacht. Hier ist kaum zu erwarten, dass die zusätzlichen Aufgaben wirklich intensiv wahrgenommen werden. Von einer geplanten Personalaufstockung ist mir bislang nichts bekannt.