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Betriebliches Eingliederungsmanagement/BEM: Das musst du wissen

16.06.2025
5min

Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM): Chance oder Kündigungsfalle?

Das betriebliche Eingliederungsmanagement (kurz: BEM) ist gesetzlich vorgesehen, um Arbeitnehmer nach längerer Krankheit wieder in den Arbeitsalltag zu integrieren. Doch in der Praxis sind viele Beschäftigte verunsichert: Soll man das BEM überhaupt wahrnehmen? Was darf man sagen – und was besser nicht? Und was, wenn das Ganze letztlich doch nur der Vorbereitung einer Kündigung dient? In diesem Video und diesem Beitrag gibt Fachanwalt Bredereck Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern einen Leitfaden, wie man sich im BEM-Gespräch professionell und rechtssicher verhält.

Was ist das BEM – und wozu dient es?

Das BEM ist eine Maßnahme, die Arbeitgeber grundsätzlich durchführen müssen, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen krank war – egal, ob am Stück oder mehrfach unterbrochen. Ziel des BEM ist es, gemeinsam mit dem oder der Beschäftigten Möglichkeiten zu finden, wie sich künftige Erkrankungen vermeiden lassen oder die langfristige Rückkehr an den Arbeitsplatz gelingen kann. Denkbar sind zum Beispiel organisatorische Anpassungen, Erleichterungen am Arbeitsplatz oder eine Veränderung des Aufgabenbereichs.

Richtig umgesetzt, kann das BEM sowohl für den Arbeitgeber als auch für den Arbeitnehmer sinnvoll sein. In der Realität jedoch geschieht das BEM oft im Kontext arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen – besonders dann, wenn eine krankheitsbedingte Kündigung im Raum steht.

BEM: Warum Sie die Einladung niemals ablehnen sollten

Viele Arbeitnehmer denken darüber nach, eine Einladung zum BEM auszuschlagen – etwa aus Misstrauen, Unsicherheit oder weil sie sich gesundheitlich noch nicht belastbar genug fühlen. Doch Vorsicht: Wer das BEM ablehnt, liefert dem Arbeitgeber unter Umständen genau das Argument, das er für eine krankheitsbedingte Kündigung benötigt.

Denn: Eine Kündigung wegen Krankheit ist regelmäßig nur dann wirksam, wenn zuvor ein ordnungsgemäßes BEM stattgefunden hat oder zumindest angeboten wurde. Wer dieses Angebot ablehnt, schwächt also im Fall eines späteren Kündigungsschutzprozesses die eigene Position erheblich. Deshalb sollte eine Ablehnung nur mit ärztlicher Empfehlung und klarer zeitlicher Einschränkung erfolgen – etwa mit dem, zuvor am besten mit einem Arbeitsrechtler abgesprochenen, Hinweis: „Ich bin grundsätzlich bereit, das BEM durchzuführen, aktuell jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht belastbar.“

Was Sie im BEM sagen sollten – und was besser nicht

Im BEM-Gespräch sollten Arbeitnehmer grundsätzlich zurückhaltend sein – vor allem, wenn das Verhältnis zum Arbeitgeber angespannt ist und eine Kündigung befürchtet wird. Besonders wichtig: Dass der Arbeitnehmer keine Aussagen über Diagnosen, Krankheitsverläufe oder Ursachen der Erkrankung tätigt. Diese Informationen unterliegen dem Datenschutz und müssen dem Arbeitgeber nicht offengelegt werden.

Sinnvoll ist es jedoch, auf konkrete Arbeitsbedingungen hinzuweisen, die zur Erkrankung beigetragen haben oder die eine Genesung erschweren. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Überlastung durch dauerhafte Vertretung erkrankter Kolleginnen und Kollegen
  • ungünstige Arbeitsumgebung (beispielsweise Lärm, Kälte, Zugluft)
  • veraltete und ungünstige Arbeitsmittel oder Büromöbel, oder solche von minderer Qualität
  • fehlende Pausen oder mangelnde Unterstützung
  • psychische Belastungen durch Konflikte im Team oder mit Führungskräften

Diese Punkte dürfen – und sollten – angesprochen werden, um ein weniger gesundheitsbelastendes Arbeitsumfeld zu ermöglichen. Alles andere: lieber für sich behalten oder mit dem Anwalt besprechen. Ich rate grundsätzlich dazu, sich vor einem BEM-Gespräch von einem spezialisierten Anwalt oder Fachanwalt für Arbeitsrecht beraten zu lassen, selbst wenn man eine Kündigung eher nicht befürchtet.

Taktisches Verhalten schützt vor Kündigung

Ein BEM ist keine harmlose Routine. Tatsächlich dient es in vielen Fällen der Vorbereitung einer krankheitsbedingten Kündigung. Umso wichtiger ist es, das Verfahren nicht blauäugig zu unterschätzen. Arbeitnehmer sollten sich frühzeitig juristisch beraten lassen – bevor sie das BEM-Gespräch führen.

Wer den Verdacht hat, dass der Arbeitgeber eine Trennung anstrebt, kann das BEM gezielt taktisch nutzen: beispielsweise, um Schwächen im Ablauf zu dokumentieren, die später in einem Kündigungsschutzprozess relevant werden. Denn ein fehlerhaft durchgeführtes oder unterlassenes BEM kann eine Kündigung unwirksam machen.

Besonderheit Kleinbetrieb

In Betrieben mit zehn oder weniger Beschäftigten gilt das Kündigungsschutzgesetz nicht. Das bedeutet: Der Arbeitgeber braucht keinen Kündigungsgrund und kann deshalb unter wesentlich erleichterten Bedingungen kündigen. In solchen Fällen kann ein konfrontatives Verhalten des Arbeitnehmers beziehungsweise seines Anwalts im BEM kontraproduktiv sein. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt: Wer seinem Chef offen Misstrauen zeigt oder die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen einfordert, riskiert eine rasche Trennung – oft ohne jegliche Chance auf eine Abfindung.

BEM klug nutzen, aber nichts preisgeben

Das BEM ist ein zweischneidiges Schwert. Richtig genutzt, kann es Arbeitnehmer schützen und den Arbeitsplatz sichern – falsch eingeschätzt, ermöglicht es mitunter die Kündigung oder reduziert jedenfalls die eigenen Abfindungschancen. Die wichtigste Regel lautet daher: Teilnehmen ja, aber nichts Persönliches und keine Diagnosen preisgeben. Offenbaren Sie dem Arbeitgeber keine Details über Ihre Krankheit. Beschränken Sie sich auf konkrete, arbeitsplatzbezogene Vorschläge zur Verbesserung der Situation.

Tipp: Vor einem BEM-Gespräch sollte man anwaltlichen Rat einholen. Ein erfahrener und im Kündigungsrecht spezialisierter Fachanwalt kann die individuelle Lage einschätzen und Handlungsempfehlungen geben – zur Sicherung des Arbeitsplatzes oder zur strategischen Vorbereitung einer möglichen Abfindung.